Gewaltprävention  – wir verstehen es anders!

Gewaltpräventive Strategien im Kindes- und Jugendalter sind überwiegend täterbezogen. Ansätze, die Kinder und Jugendliche als Opfer von Gewalttaten in den Mittelpunkt stellen, sind – sieht man einmal vom Handlungsfeld Familie und teilweise der Polizei ab – dagegen kaum zu finden. Dabei ist zu bedenken, dass mehr Kinder und Jugendliche Opfer von Gewalt als Täter sind. Diese Perspektive wird insbesondere bei jugendlichen Opfern häufig vernachlässigt.

Damit geht aber gleichzeitig auch das Risiko einer Entgrenzung der Gewalt- und der Präventionsbegriffe einher. Damit verbunden ist oftmals eine problematische Beliebigkeit, weil Projekte, Maßnahmen und Angebote, die in der Hauptsache andere Zielsetzungen verfolgen, umetikettiert werden und zu gewaltpräventiven Maßnahmen mutieren, ohne deutlich machen zu können, inwiefern sie nachvollziehbar und zielgerichtet einen Beitrag zur Reduktion von Gewalt im Kindes- und Jugendalter leisten.

Unser Gewaltpräventionsprogramm für Kinder und Jugendliche wird in drei Säulen dargestellt:

  • Vorbeugung und Deeskalation
  • Selbstbehauptung
  • Selbstverteidigung

Unser Gewaltverständnis bietet ausbalancierte Präventionsmaßnahmen sowohl für Opfer als auch für Täter!

Die bestehenden, auf Gewaltopfer bezogenen Angebote konzentrieren sich vor allem im Zusammenhang mit innerfamilialer Gewalt auf Kinder oder sprechen – als »traditionelle« Opferhilfe mit ihrer Kommstruktur am einzelnen Individuum orientiert – eher Erwachsene an. Wenn Jugendliche dagegen Opfer von Gewalt (häufig von Gleichaltrigen im eigenen Sozialraum) werden, fehlt es an Angeboten, an die sie sich niedrigschwellig wenden können. Kein Jugendlicher möchte gerne als Opfer adressiert und so auf diese insbesondere von den männlichen Gleichaltrigen sehr negativ besetzte Rolle festgelegt werden. Hier ist vor allem die Kinder und Jugendhilfe gefordert, geeignete Ansätze zu entwickeln, die diese Jugendlichen auch in gruppenbezogenen Angeboten erreichen und unterstützen können. Ein wichtiger Ausgangspunkt ist dabei, sich mit den Begriffen »Opfer« und »Loser«, die von den Jugendlichen als stark abwertende und demütigende Schimpfwörter verwandt und verstanden werden, auseinanderzusetzen.

Die gewaltpräventiven Strategien sind bislang meist von einem Dualismus geprägt: Auf der einen Seite die (verurteilenswerten, bösen) Täter, auf der anderen Seite die (unschuldigen, armen) Opfer.

Diese Konstellation ist zwar auch vorhanden, aber häufig ist gerade im Jugendalter die Konstellation vorzufinden, dass dieselbe Person sowohl Täter- als auch Opfererfahrungen hat. Damit greift dieser Dualismus viel zu kurz und wird den komplexen Hintergründen nicht gerecht. Empirische Forschungen zeigen erstens, dass jugendliche Gewalttäter häufig zuerst auch Opfer von Gewalt geworden sind, zweitens, dass sich häufig erst im Verlauf von gewalttätigen Interaktionen zwischen Jugendlichen entscheidet, wer später als Täter oder als Opfer gesehen wird, und dass drittens, das Viktimisierungsrisiko von jugendlichen Gewalttätern ebenfalls besonders hoch ist.

Präventive Strategien müssen unter dieser Perspektive von der Zuweisung starrer Opfer- und Täterrollen so weit wie möglich Abstand nehmen und von den Gewalterfahrungen von Kindern und Jugendlichen ausgehen.